Die Bedrouille der Frau Gräbli oder Frau Gräbli und das eBay

Kolumne
Veröffentlicht: 07.07.2009

Frau Gräbli nahm den geschenkten Laptop langsam in Beschlag. Zuerst mit Kartenspielen, dann schrieb sie ab und zu ein Brieflein. Sie hatte keinen Drucker, so dass sie ihre Texte auf Diskette speichern und im Büro ausdrucken musste. Die Hauptsache spielte sich also weiterhin im Büro ihres Arbeitgebers ab. Denn ihr fehlte zuhause etwas sehr Wichtiges - der Internet Anschluss! Es hätte nur eines Kabels bedurft. Die Freundin wollte mit ihrem Mann kommen um das Kabel zu installieren. Sie war den Beiden auch noch das Nachtessen für den Laptop schuldig. Da Frau Gräbli aber eine notorische Unordnung hatte, die immer schlimmer wurde, weil sie die ganze Ware ¬ñ doch davon später ...

Zuhause fehlte also der Internetanschluss, und da ergab es sich eines Tages, dass Frau Gräbli an ihrem Büroarbeitsplatz zufällig ins eBay gelangte. Sie ersteigerte als erstes Spitzenborten, etwa 45 m Spitze in verschiedenen Farben und Formen, elastisch und nicht elastisch. Sie hatte vor längerer Zeit einen Kurs Dessous Nähen besucht und hatte so einen schünen Fundus für künftige selbst genähte Dessous.

Nach den Spitzen kam der Schmuck. Sie hatte eine silberne filigrane Brosche in Form einer Dreimastbark, als Geschenk zum 70. Geburtstag ihrer Segelfreundin, im Visier. Da sie aber eine noch unerfahrene eBayerin war, bot sie zu wenig, und die Brosche war weg. Sie bot auf zwei Dutzend andere Broschen, die niemand sonst wollte. Als der Händler keine Broschen mehr im Angebot hatte, bot sie auf zwei Dutzend Halsketten zu je 19 Euro das Stück.

Frau Gräbli bekam dann nacheinander zwei Päckchen, in denen es klimperte, vor die Haustür gestellt. Sie war ja im Büro, wenn der Postbote kam. Aber sie hatte rechtzeitig auf ihrer Postfiliale eine neue Vollmacht für die Nachbarin ausstellen lassen. Sie hätte aber noch einen Lagerraum mieten sollen! So landete die ganze Ware in ihrem Esszimmer auf dem Stubentisch, von wo sich die Ware weiter in alle Räume ausbreitete. Immer weniger konnte sie das befreundete Paar zum z¬íNacht einladen. Wo doch das Stückli Kabel zum Internet so nütig gewesen wäre! Tische und Kommoden waren in mehrfachen Etagen mit ersteigerten Waren aus eBay beladen. Der Schmuckhändler war abgegrast. Als nächstes kamen Stoffe und Bücher dazu. Patchwork Stoffe. Frau Gräbli wollte nächstens einen Patchwork Kurs besuchen und hatte sich schon immer gern mit allen Büchern zum jeweiligen Thema eingedeckt.

Als das erste Paket ins Büro geliefert wurde, war es ein Versehen. Sie wickelte ihre Käufe ja vom Geschäftsarbeitsplatz aus ab. Auf Ihrer eBay Mail stand denn auch ihre Geschäftsadresse, und ein Verkäufer erwischte diese für sein Paket. Am Anfang ging noch alles gut. Der Weibel stellte früh morgens die Pakete direkt in ihr Büro. Aber als es immer mehr wurden, hätte er einen zusätzlichen Kehr mit seinem Wagen einschieben müssen. Und dafür reichte seine Zeit nicht aus. Seine Zeit war genau abgemessen, so und so viele Kehren lagen drin, nicht mehr.

Frau Gräbli ward aufgerufen, die Pakete selbst im Weibelbüro abzuholen. Später wurde ihr dort beschieden, die Paketlieferung ganz einstellen zu lassen. Da der Schrank in ihrem Büro vor lauter Paketen der e-bay Händler überquoll, war diese Lieferadresse auch nicht mehr angezeigt.

Frau Gräbli kam schon lange nicht mehr nach mit Auspacken. Der Zeitpunkt, wo sie sich hätte aus eBay zurückziehen künnen, war überschritten. Der Graben zwischen ihren vermeintlichen Bedürfnissen und ihrer Bestellflut klaffte tief. Das war sogar ein guter Vergleich. Denn die Wohnung, eine leidlich grosse 3-Zimmerwohnung, war mittlerweile mit Stoff- und anderen paketen zugepflastert. Beim Gehen sank sie tief in die Paketschicht ein, so dass sie sich in einem andauernden Grabenkrieg wähnte, wenn sie von einem Zimmer in ein anderes kommen wollte. Keller und Winde waren von unten bis oben gefüllt und einzig der Stubenbalkon bot noch Platz für ein paar weitere Pakete. Von dort wurde sie dann in die Spinnwinde eingeliefert. Eine Freundin hatte die Polizei alarmiert, als Frau Gräbli die Wohnungstür, vor der sich Pakete über Pakete stapelten, nicht mehr üffnete. Die Wohnung wurde aufgebrochen, aber ein Weiterdringen war unmüglich. Von der Feuerwehr wurde sie mit einem Kran vom Balkon im 5. Stockwerk gehievt.

In der Klinik bekam sie von den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern den Übernamen Päcklitante verpasst. Denn die Segelfreundin, wegen der die ganze Bestellflut angefangen hatte, weil Frau Gräbli die gewünschte Dreimastbark Brosche nicht bekam, brachte ihr jede Woche zwei bis drei Stoffpakete aus der Wohnung. Frau Gräbli verarbeitete die Stoffe zu sehr schünen Quilts. Als alle Stoffe verarbeitet waren, und die Boutique im Eingangsbereich der Klinik aus Platzgründen keine weiteren Quilts mehr annehmen konnte, wurde Frau Gräbli als geheilt entlassen.

Zuhause besorgte sie sich endlich das fehlende Kabel zu ihrem Laptop für den Internet Zugang. Sie bot in eBay ihre CD Sammlung und all ihre Bücher feil. Als die Gestelle leer waren, füllte sie diese wieder auf. Natürlich mit Hamsterkäufen aus eBay. Da ja jede Transaktion registriert wird - was? zu wieviel? und wann? über den eBayTisch schlittert, bekam sie als erste Schweizerin die eBay Trophäe für den grüssten Umsatz innerhalb des Kalenderjahres zuerkannt. Daraufhin überlegte sie lange, was sie am platzsparendsten eBayen und sammeln künne. Ihre Wahl fiel schlussendlich auf Luftkissenpolster, die vielen Paketen als Füllmaterial, oder um zerbrechliche Gegenstände zu schützen, beigegeben war. Sie hatte zufällig bemerkt, dass die Luft aus den Luftkissenpolster unterschiedlich roch. Sie piekste mit einer Stecknadel Luftkissen um Luftkissen auf und roch die unterschiedlichen Luftdüfte. Die Luft eines Luftkissenpolsters aus Berlin roch anders als die gepiekste Luft aus München. Und da sie immer erst die Luftkissen verarbeitete, das heisst aufstach und die Luft herausroch, kam es nicht mehr zu der früheren Platzknappheit in der Wohnung. Die luftleere Polsterfolie entsorgte sie in Züri-Säcken. Bis die Segelfreundin, wieder die, wegen der das ganze eBay Theater angefangen hatte, dies eine Verschwendung fand. Die luftleeren Polster künne man doch noch für etwas verwenden!, fand die Freundin. Und so kam es, dass Frau Gräbli wieder an die Nähmaschine hockte und luftleere Luftkissenpolster aus Berlin mit denen aus München und Dresden zusammennähte. Der nahe gelegene Unica 3. Welt Laden füllte ein ganzes Gestell mit den gelüfteten Plastic Folien und verkauft sie leidlich gut unter dem Namen "Kultur- und Städteverbindendes LuftArt Kissen".

Heute hat Frau Gräbli ihr Internet Kabel gekappt und übt sich in chinesischer Kalligraphie. Die Schubladen ihres Sekretärs sind mit Pinseln und Tusche angefüllt. Sie pinselt jeden Tag hundertmal die Schriftzeichen von eBay? Kenn ich nicht! Wer war das?

Zuletzt geändert am: 07.07.2009 um 07:25

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