Vielffältige Transportmittel

Indienreise
Veröffentlicht: 04.03.2007

Vor allem in ländlichen Gegenden haben Kamele Karren gezogen. In einer solch majestätischen Haltung – den Hals gereckt und stolz den Kopf gehoben! Gleich der mit Musterblöcken von Hand bedruckten Baumwollstoffe wiesen die Kamele oft Muster an ihrem Hinterteil auf. Wir haben ja eine Kamelfarm besucht, aber ich habe vergessen zu fragen, wie die – schachbrettartigen Muster – entstehen. Mittels Farbe oder Einbrennung? Die stolze, erhabene Haltung der Kamele hat mich an die indische Bevölkerung erinnert. Selbstbewusst, aber umgänglich, interessiert, hilfsbereit und herzlich aufgeschlossen – doch im Wesen unfassbar für mich, die Fremde.

Grautiere – kleine herzige Esel sah ich auch vor einen Karren gespannt. Und Pferde? Pferde haben Kutschen gezogen. Ganze indische Grossfamilien sassen in einer mit künstlichem Blumenschmuck und viel Glitzer vornehm herausgeputzten Kutsche und liessen sich durch die lauten Strassen von Mumbai ziehen.
 
In Delhi – und sonst nirgends wieder – sind wir auf eine Fahrrad-Rikscha geklettert. Habe davon jetzt noch blaue Striemen am Bein. Ein Velo mit einem Anhänger hintendran. Eine Sitzbank mit oder ohne Dächli. Ich habe das natürlich ausprobieren müssen, und versuchte, mich besonders leicht zu machen. Ich habe die Luft angehalten – als ob dann der Rikschafahrer weniger Gewicht zu strampeln hätte! Ach, wie musste er in die Pedale treten. Sieben Wochen nach Delhi wäre ich fünf Kilo leichter gewesen, auch meine Reisefrau hat vier Kilo abgenommen. Aber da gab es keine Fahrrad-Rikschas mehr. Nur die Tuk-Tuk, also Motor-Rikschas. Der Name Tuk-Tuk kommt aus Thailand und ist nur in Delhi gebräuchlich. Wie sieht eine Motor-Rikscha aus, das Fahrzeug, das wir am meisten benutzten? Ich würde sagen, es ist ein Töffli mit drumherum einem gedeckten Blech-Wägeli mit Sitzbank zum Dreinhocken. Sie machen einen ohrenbetäubenden Krach – beileibe keinen sanftes Tuckern, sondern ein phonstarkes Knattern. Ich behaupte mal, es seien Zwei-Takt-Motoren, die sie antreiben, aber genau kenne ich mich da nicht aus. Ich habe nur gelesen, dass in Delhi, der Hauptstadt Indiens, wegen der starken Luftverschmutzung durch Abgase, diese Zwei-Takt-Motoren eigentlich verboten wurden. Verboten, aufgehoben, wie manches Gesetz eine neue Regelung vorsieht – aber doch nicht gegriffen hat. Wie könnte es auch, in einem so grossen Land, mit so viel Verkehr eine Wendung geben?
 
Über das Gehupe ist meines Wissens kein Gesetz erlassen worden. Das gehört einfach zum Verkehr. Es wird gehupt, was der Daumen hergibt. Die Lastwagen haben sogar auf der Rückseite ein „Please Horn“ aufgemalt. Es ist also zwingend, dass das überholende Vehikel seine Hupe betätigt! Als wir einen privaten Fahrer engagiert hatten, dachte ich zuweilen, ob er nicht etwa die Bremse mit der Hupe verwechselt. Kam nämlich auf enger Strasse ein Fahrzeug entgegen, wurde von unserem Fahrer die Hupe gedrückt – um erst im allerletzten Moment mit einem Schlenker auf den Strassenrand auszuweichen.
 
Frisch in Indien angekommen, bestieg ich in Dehli erstmals eine Motor-Rikscha. Was habe ich da geächzt und aufgeheult, wenn der Fahrer sich nach einer Kreuzung in eine drei- oder sogar vierspurige Fahrbahn eingeschleust hat. Was habe ich die Beine angezogen und mich zu meiner Reisefrau hinübergelehnt. Es war furchteinflössend. Und doch so einfach: Alle haben gehupt, gebremst, Gas gegeben wie die Verrückten und – alle waren eingefädelt. Kaum jemand auf einem Motorrad hat einen Helm getragen. Und die indische Damenschönheit im Sari auf dem Rücksitz im Damensitz erst recht nicht. Mit der Zeit war ich die indische Gelassenheit in Person und jaulte nicht mehr an jeder Kreuzung auf. Wo so viele Kühe auf der Fahrbahn mit äusserstem Respekt umfahren wurden, da würde doch auch zu meinem Leben Sorge getragen werden. Nur zweimal in den sieben Wochen ist etwas passiert. In einer engen Gasse ist unser Tuk-Tuk in einem grossen Gewühl einem Büebli über den Fuss gefahren. Da waren Karren, Menschen, vielleicht auch eine Kuh und ein Schwein? Zugegeben, unser Fahrer war etwas aggressiv, ist vorwärts geprescht, um uns in „seinem“ Hotel unterzubringen – und da war der Fuss des Büeblis im Weg. Unser Fahrer ist ausgestiegen und hat nach hitziger Diskussion vom Mann mit dem Karren eins auf die Rübe bekommen. Sonst habe ich Inder immer sehr friedfertig erlebt. Ob es wohl der Vater des Büeblis war? Das Büebli hat nach anfänglichem Weinen laut aufgeschrieen, und ich habe mir gewünscht, dass die Verletzung des Zehs so schlimm nicht sei – er doch so schreien möge, weil ihm die allgemeine Aufmerksamkeit sicher sei. Wir sassen wie gelähmt auf unserer Sitzbank. Unser Fahrer nahm das Büebli neben sich, und los gings. Wieder wie vorher mit Karacho durch Gassen und Kurven bis zu einem Lädeli. Dort hing ein Plakat mit einem abgebildeten Säugling – ein Kinderarzt also. Er nahm das Büebli in Empfang, um den verletzten Fuss hatte es einen Lumpen fraglicher Herkunft gewickelt. Wir sahen noch, wie der Arzt auf den Zeh ein Stück Gaze... Meine Reisefrau ist Krankenschwester – ihr hat’s was gegeben, wie ihr euch vorstellen könnt.
 
Der zweite Unfall war die Zertrümmerung der Windschutzscheibe unseres Sleeper Busses in Mumbai. Nach gut 20-stündiger Fahrt sind wir am Morgen durch Mumbai gezuckelt, da machte es plötzlich mit grossem Getöse klirr. Nach wenigen Minuten wurde die Fahrt fortgesetzt, einen grossen Scherbenhaufen hinterlassend, wie meine Reisefrau bemerkte. Die schöne Windschutzscheibe, die nachts auf jeder Raststelle vom Gehilfen minutiös mit Zeitungspapier gewienert wurde. Hoffen wir, dass es dem Chauffeur keine allzu grossen Kratzer eingetragen hat. Ist er an einen Wagen mit überhängender Ladung zu nah aufgefahren? War er übermüdet oder nicht an den Stadtverkehr gewöhnt? Die Strassen von Mumbai haben schon um neun Uhr morgens gebrodelt. Mumbai mit 12 Mio. Einwohnern ist die neue Bezeichnung von Bombay, nach der Göttin Mumbadevi umbenannt um den Anglizismus auszumerzen.
 
In der Wüste sind wir auf Kamelen geritten und in den Wildreservaten Jeep und Camion gefahren.
 
Den Elefanten, der uns zum auf einem Bergrücken gelegenen Amber Fort bei Jaipur hätte tragen sollen, haben wir verpasst. Er hatte nachmittägliche Zimmerstunde und badete im See. Erst abends wurden die Elefanten wieder eingesetzt. So liessen wir uns von unserem Chauffeur hochfahren. Denn laufen und klettern konnten wir in dem weiträumigen Fort noch genug.
 
Nur einmal haben wir den Zug benützt, von Delhi nach Agra. Züge seien immer überfüllt, ist in den Reiseführern zu lesen. Selber am Bahnschalter für ein Ticket anzustehen, lohne sich nicht – zu ungewiss sei der Erfolg. Lange anstehen, und ist es dann auch der richtige Schalter? Jedoch wäre immer noch ein Kontingent an freien Plätzen für VIP Personen vorhanden. Sind meine Reisefrau und ich denn VIPs? Fasst muss ich es glauben, so bevorzugt werden wir behandelt, es wird regelrecht um unsere Gunst gebuhlt. Schön ist das! Die Kehrseite gibt es natürlich auch: Wenn wir in und vor den Geschäften von allen Seiten bestürmt werden und wir zigmal am Tag die Frage „Where do you come from?“ beantworten müssen. „Was geht die das an?“, dachte ich anfänglich. Da habe ich aber schnell von meiner Reisefrau ihren sprühenden Charme abgeguckt und mich auf die immer gleichen Fragen eingelassen. Will doch nicht als bornierte Europäerin daherkommen.
 
Unser Hotel in Dehli hat uns also zwei Bahn-Tickets besorgt. Nun ja, auf meinem Platz sass schon jemand, der die gleiche Nummer vorweisen konnte. Ich darf mich trotzdem auf eine Ecke der Liegebank quetschen. Und vier Stunden sind ja bald einmal vorbei. Das ist ein Palaver und Hin und Her. Tee, Tomatensuppe und Essen werden verkauft. Der Zug ist etwas älteren Baujahres, und das riecht man.
 
In Agra, der Stadt mit dem Taj Mahal, hat meine Reisefrau in einem Touristen-Büro einen privaten Chauffeur für uns engagiert. Das ist natürlich die Luxusvariante des Reisens. Für Westler, ausgenommen junge Rucksack-Touristen mit Low Budget, ist das äusserst erschwinglich. Je länger das Engagement dauert, um so günstiger wird die Tagespauschale. Wir waren 10 Tage mit unserem Fahrer Dinesh zusammen, einen Tag mussten wir umgerechnet mit etwa 40 Franken berappen. Wir konnten Abfahrt und Reiseziel bestimmen und haben unterwegs manch interessante Information bekommen. Er hat uns auch jeweils ein Hotel empfohlen und natürlich Shops, Shops, wo er von unseren Einkäufen Provision erhält. Doch das ist eine andere Geschichte.
 
Als wir uns von Dinesh trennten, war Busfahren angesagt. Der Preis für ein Bus-Ticket ist nicht der Rede wert. Die längste Strecke, die wir fuhren, war Diù – Mumbai, 20 Stunden. Ein Liegeplatz im Sleeper Luxus Bus kostet 500 Rupien, etwa Fr. 15.50. Nun darf man das mit der Kategorie Luxus nicht gar so genau nehmen. Oder doch? Im Fahrpreis war nämlich ein Konzert enthalten, gratis. Damit meine ich nicht etwa das Schnarchen aus der Nebenkoje. Nein, echt orientalische Musik! Unsere Liegefläche im Sleeper Bus befindet sich über den Sitzplätzen, unter dem Dach, und ist über eine Hühnerleiter zu erklimmen. Da liegen wir dann, und können das Vorhängli zur Busmitte zuziehen. Und nun fängt das Konzert an: Die Vorhangschiene ist aus Metall und die Vorhangringli auch. Sobald der Bus über unwegsame Strassen holpert, und das tut er oft, tanzen die Ringli in den Schlaglöchern an der Stange – Metall auf Metall. Da schlagen Zimbeln, Schellentamburin und Glockenrassel. Unser Bus hat beidseits je fünf Kojen zu 15 Ringli, mei – wie da die 150 Ringli Tsching Darassassa tanzen! Und aussen klappert das Fenster in seiner Schiene und schlägt die grosse Trommel dazu. Ein Vorhang vor unserer Schlafkoje wäre gar nicht nötig. Spielt sich doch das Leben für viele indischen Familien, die nur in einem Zelt oder in einer Baracke wohnen, in der Öffentlichkeit ab. Da wird die morgendliche Toilette auf der Strasse ausgeführt, und Männer brünzeln, wie es sie ankommt. Aber ohne Vorhang kein Konzert!
 
Ein grosser Wunsch eines jeden Inders ist: Ein Auto zu besitzen. Für die Meisten eine zu teure Ausgabe. Ein Motorrad ist dann der nächste Wohlstandsbeweis. Zwei Kinder haben auch da vor dem Fahrer alleweil Platz. Zum Waren jeglicher Art zu transportieren genügt auch ein Velo. Das hat dann oft auf beiden Seiten Kannen angehängt, ein regelrechtes Kunstwerk der Balance. 
 
Frauen tragen riesige Lasten auf ihrem Kopf. Zum Beispiel auf dem Land Gras für das Vieh, so dass ihr Kopf unter dem ausufernden grünen Fuder völlig unsichtbar ist. Dann meterlange Äste und Zweige als Brennholz, in ausladenden Türmen. Wie lange müssen sie wohl mit ihrer Last laufen? Die grösste Last, die ich sah, war ein Riesending von Gasflasche, etwa ein Drittel so gross wie die ganze Frau darunter.
 
In Zürich gibt es auch eine Strassenkehrerin. Aber Bauarbeiterinnen? In Indien ist alles möglich! Ich sah Frauen Bausand in Kübeln auf ihrem Kopf zur Baustelle tragen. Aber sie hatten kein Werkzeug, sondern mussten den Sand mit ihren blossen Händen in die Kübel schaufeln.
 
Habt ihr in Zürich die Reklame von Manor gesehen? Zwei gestylte Schönheiten sind da abgebildet. Die linke trägt eine Schale auf dem Kopf und die rechte einen Krug. Ich habe in Indien eine ungeschminkte Schönheit gesehen, ein halbwüchsiges Mädchen, ein Bild für die Götter! mit einer riesigen Schale auf dem Kopf, gefüllt – mit frischem Kuhdung. Der Kuhdung wird getrocknet und als Brennmaterial fürs Herdfeuer oder als Baumaterial für die Hütte benutzt.
 
Eine andere Manor Reklame zeigt eine zart hellbraune Schönheit, die ein Kissen auf dem Kopf balanciert. Es geht um eine Afrika-Ausstellung in diesem Warenhaus. Die Manor Reklame kommt mir ziemlich lächerlich vor. Das würdet ihr doch auch so empfinden, oder nicht?

Zuletzt geändert am: 19.07.2009 um

Zurück