„Was für ein Stuss!“, dachte ich damals. Obwohl ich die Zeitung auf dem WC sitzend las, meinte ich verärgert, selbst auf dem WC würde ich gern etwas Gescheiteres lesen. Haben die keine schlaueren Umfragen durchzuführen? Damals ahnte ich noch nicht, dass WC-Papier durchaus eine tragende Rolle in meinem Leben spielen könnte.
Der Gebrauch von WC-Papier ist in Indien nicht gebräuchlich. Ich zitiere wieder mal ein schlaues Buch: „Der Inder wird es nicht verstehen, wie sich die Westler nach der Toilette das Hinterteil mit kratzigem Papier reinigen können, in seinen Augen ist das schmutzig, denn nichts reinigt so gut wie Wasser! ... Toilettenpapier ist ein teurer Luxusartikel, zu dem nur die westlich-orientierte Oberschicht greift.“ Aus „Kulturschock Indien“, Rainer Krack.
Zur Veranschaulichung: Ein Kilo Reis kostet weniger als 20 Rupien und für eine Rolle WC-Papier musste ich 40 Rupien hinblättern. Ein wahrer Luxusartikel also! Eine Rolle – ich bin ja alles andere als kleinlich – aber das ist mir dann doch aufgefallen: Die Kartonrolle ist äusserst umfangreich und hat eine winzig kleine Papierschicht umwickelt. Bei uns ist es gerade umgekehrt: Dünne Rolle mit dick Papier herum. Ich messe jetzt nicht nach und rechne euch die Zentimeter vor. Das wäre langweilig, ihr müsst es mir einfach glauben. Es ist garantiert so. Weil, so ein Röllchen hatte ich an einem Tag ratzeputz aufgebraucht. Dank der ungewohnten indischen Kost war ich allerdings vermehrt zu Sitzungen am stillen Örtchen. Und nun komme ich zu der anfangs erwähnten Umfrage zurück. Ich bin eine, die sich das WC-Papier meterlang herunterzieht und büschelt. Ich hatte zwar versucht – in Anbetracht meiner Indienreise – das Papier sparsamer zu handhaben, und die Coupons zu zählen und schichtweise zu falten. Doch das habe ich nach zwei, drei Tagen wieder aufgegeben. Habe ich doch Sinnvolleres zu tun, als WC-Papierli zu zählen, dachte ich mir. Ich darf mich als grosszügigen Menschen sehen, der es halt nicht schafft, plötzlich bei profanem WC-Papier knauserig zu sein. Ist doch logisch, oder? Ich lebe in der reichen Schweiz und verbrauche Papier, so wie es meinem Hintern Spass macht. Weiss ich doch, wovon ich rede: Für ein Marktforschungsinstitut lege ich nämlich Zeugnis über meine Einkäufe ab. Minutiös muss ich jeden Haushalts- und Lebensmittelartikel säuberlich eintragen. Zum Beispiel – wo wir grad dabei sind – wie das soeben eingekaufte WC-Papier beschaffen ist: Aus Krepp, oder Tissues/Flausch, 2-, 3- oder 4-lagig und die Blattzahl pro Rolle. Dann Preis, Aktion? Ort und Datum des Kaufes! Nicht, dass ich da von etwas rede, wovon ich null Ahnung habe und euch einen papierenen Bären aufbinden will. Wenn ihr also zukünftig im Gestell diverse Toiletten-Papiere vorfindet, sind es exakt die des Schweizer Otto Normalverbrauchers – dafür leiste ich als Panel Teilnehmer Sorge. Auch, zum Beispiel, was für Müesli Mischungen zukünftig angeboten werden. Nur esse ich nie Müesli, für diese Auswahl kann man mich also nicht belangen.
Zur Sache: Der Inder, die Inderin benützt zur Säuberung seines, ihres Pos einen Krug Wasser und die linke Hand. Das habe ich in den schlauen Büchern gelesen. Ich konnte es mir aber wieder mal nicht vorstellen – woher den Krug nehmen?! Es ist nun aber – wie so vieles in Indien – wunderbar eingerichtet: In jeder Toilette im Restaurant oder Badezimmer im Hotel steht ein Eimer mit angehängtem Plastikkrügli, wie mein Halblitermässli in der Küche, auf dem Boden. Daneben, tief unten in der Wand, befindet sich der Wasserhahn zum Eimer und Krug auffüllen. Praktisch, oder? Wenn man bedenkt, dass es keine Kläranlagen gibt, ist das doch wirklich eine saubere Lösung! Ich habe es leider nie ausprobiert, habe nur immer die Plastikkrügli, oftmals marmoriert in Rosa oder Grün, bestaunt und – mein aus der Handtasche geklaubtes WC-Papier – wenige Blättli sparsam gefältet – benutzt. Wo immer ein Abfalleimer stand, wanderte das Papier dort hinein. Aber das kannte ich schon aus Griechenland.
In Indien ist es üblich, sich vor und nach dem Essen die Hände zu waschen. In jedem Restaurant steht ein Waschbecken im Raum. Wir waren wohl die Einzigen, die das Waschbecken nie benützt haben. Was sind wir doch für Grüsel!
In Indien landen die Abfälle auf der Strasse, aber sonst ist alles blank gewienert. Was Kuh, Schwein und Hund vom Abfall übrig gelassen haben, wird von einem kleinen mottenden Feuerchen verbrannt. Ist doch eine saubere Sache, oder? Die in den Städten hohe Luftverschmutzung kommt ja hauptsächlich von den vielen Vehikeln, die noch nie einen TÜV von innen gesehen haben.
Zurück in der guten alten Schweiz übe ich nochmals, die Blättli abzuzählen. Denn man sagt ja, eine Indienreise bewirke eine nachhaltige Veränderung...
Zuletzt geändert am: 19.07.2009 um
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